Is des a Acryl-Farb?

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In den Untiefen des Internets finden sich bekanntermaßen unzählige Youtube-Channels oder Diskussionsforen, in denen ganz viele Leute ganz viele Sachen sagen und schreiben. Leider immer öfter mit nur rudimentärem Hintergrundwissen, dafür gerne mit Musik untermalt und schmissigen Fachbegriffen durchsetzt. Motto: Besser eine starke Behauptung als ein schwaches Argument.

 

Leider bleiben da auch wir Modellbauer nicht verschont, zumal hier auch die Hersteller per kreativer Artikelbezeichnung fleißig an der Konfusion mitarbeiten, der Rest ist dann zudem häufig lost in translation.

 

Was mich wieder zum Aufmacher von oben führt, der - vom Bayerischen ins Hochdeutsche übersetzt – meist zum Ausdruck bringen soll, daß man auf der Suche nach einer Farbe ist, die „nicht stinkt“ und „mit Wasser verdünnbar ist“, woraufhin der Fragende dann i. d. R. eine mehrminütige Suada meinerseits zu ertragen hat.

 

Ich will jetzt hier keine Chemievorlesung halten, gleichwohl gebietet die Chronistenpflicht eine kurze Darstellung des Sachverhalts, welche idealerweise dabei helfen kann Missverständnisse zu umschiffen.

 

Also stelle ma uns mal janz dumm, wat is‘ne Farb?

 

Mal stark vereinfacht ausgedrückt bestehen Lacke (was übrigens einfach die korrekte Bezeichnung für flüssige Beschichtungen ist und ebenfalls nichts mit dem Lösemittel zu tun hat) aus drei Komponenten, zusätzliche Additive in manchen Lacken lassen wir der Einfachheit halber jetzt hier mal weg. Das

 

  1. Pigment

bestimmt die Farbe, bliebe aber ohne

  1. Bindemittel

nur ein Pulver, das nicht auf der Oberfläche haften bleibt. Die beiden in Kombination sind zu hochviskos zum Auftragen, daher werden sie in einem

  1. Lösemittel / „Verdünner“

gelöst, um beim Beschichtungsvorgang einen glatten Film bilden zu können.

Das Lösemittel verdunstet, der getrocknete Film aus Pigment und Bindemittel verbleibt auf der Oberfläche und fertig ist die Laube.

 

Kann man sich vorstellen, wie beim Hausbau. Die Ziegel sind das Pigment, Zement das Bindemittel mit den Additiven Sand und Kies, Wasser das Lösemittel. Beim Trocknen wird aus dem Zement-Sand-Kies-Gemisch der Beton und der verbindet die Ziegel zur Mauer. Bitte den Maurer jetzt somit nicht analog der Überschrift fragen „Is des a Zement-Mauer?“

 

Aber zurück zum Thema.

 

Pigmente sind in unserem Hobby in aller Regel sehr fein gemahlene, anorganische Stoffe, meist Oxide. Dies erklärt übrigens auch die oftmals schräge Reaktion beim Mischen unterschiedlicher Farben. Machen Oxide vertragen sich einfach nicht und dann ergeben Grün und Silber halt leider kein Grün-Metallic, sondern Braun… Weitere Vertiefung in diesem Zusammenhang nicht notwendig.

 

Wichtig ist die Klärung des Begriffs Bindemittel. Hier kommen in unserem Hobby primär zwei verschiedene künstliche Harze zum Einsatz. Polyacrylate („Acryl“) und Alkydharze. Letztere sind recht hart und beständig und firmieren daher bei mindestens zwei bekannten Platzhirschen unter dem Marketing-Namen „Enamel“, obwohl sie natürlich keine Emaille-Farben sind, denn das wäre ja eine unter sehr hoher Temperatur aufzuschmelzende Silikat-Beschichtung…

 

Historisch betrachtet fußen die Enamel-Farben aufgrund des Alkydharzbindemittels auf einem organischen Lösemittel, sprich einem Kohlenwasserstoff. Acrylate sind hingegen prinzipiell auch mit Wasser verdünnbar. Das heißt aber jetzt nicht: Acryl = Wasser!

 

Es gibt auch „Acryl“-Farben, die auf einem organischen Lösemittel fußen, z. B. die mancher asiatischen Hersteller.

 

Die meisten Acryl-Lacke sind allerdings tatsächlich auf Lösemittel-Basis eines Wasser-Alkohol-Gemisches aufgebaut, auch wenn es selbst bei „Aqua“-Farben nicht ohne Alkohole und geringe Anteile eines Kohlenwasserstoffs geht.

 

Das Spektrum der Zusammensetzungen ist einfach sehr breit. Von sehr viel Alkohol in z. B. Lacken von Tamiya, bis zu stark wässriger Lösung bei z. B. Vallejo.

 

Da ist für jeden Anwendungsbereich bzw. Geruchssinn was dabei, wobei m. E. nach keine Farbe bzgl. der rein chemischen Zusammensetzung „besser“ oder „schlechter“ ist, als die andere. Man muss einfach die jeweiligen Vorteile kennen und für sich zu nutzen wissen.

 

Alkydharzfarben haben – wie oben beschrieben – den Vorteil der hohen Beständigkeit, die alkoholischen sind meist etwas angenehmer bzgl. Geruchsentwicklung.

 

Meist trocknen die wasser-alkohol-basierten Lacke – je nach Umgebungsbedingungen – z. T. deutlich schneller als solche mit organischen Lösemitteln. Das heißt, man kann z. B. zügiger weiterarbeiten.

 

Dafür wird bei der tendentiell langsameren Verflüchtigung von organischen Lösemitteln die Oberfläche in der Regel glatter, weil die Lack-Dispersion mehr Zeit für den optimalen Verlauf hat.

 

Die Qual der Wahl.

 

Wichtig ist einfach, daß man - neben den optischen und mechanischen Eigenschaften - die verschiedenen Lösemittelgruppen beachtet und den korrekten Verdünner – und insbesondere bei Verarbeitung mittels Airbrush den korrekten Reiniger! - verwendet. Und da fährt man in den meisten Fällen mit dem des Lackherstellers am besten. Dazu muss ich nicht nur als Fachhändler raten, sondern auch aufgrund mancher Eigenerfahrung mit okulten Tipps aus eingangs erwähnten Kanälen. Die können funktionieren, müssen aber nicht und im Zweifelsfall hat man sich wg. einer geringen Ersparnis bestenfalls den Lack gekillt, schlimmstenfalls das ganze Modell und darf dann zudem Fließbecher und Düsen der Airbrush bergmännisch freilegen.

 

Zur groben Orientierung: Leitungswasser kommt in die Kaffeemaschine, Sidolin macht Fensterscheiben wieder durchsichtig.

 

Bei konkreten Fragen zu Anwendungsgebieten und Verträglichkeiten von Lacken, Washes etc., Verdünnern und Reinigern einfach vorbeischauen, dann besprechen wir das gerne am konkreten Projekt.

 

Es grüßt

 

Christoph Donnert

 

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